Kommen und Gehen von Rehwild auf Estnischem Boden

Eingereicht von Looduskalender - Di., 07.03.2017 - 17.15
Sisu
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Die Population von Rehwild in Estland hat, abhängig von den Winterbedingungen durch die Jahrhunderte drastische Höhen und Tiefen erlebt.
Foto: Tarmo Mikussaar
 

geposted vom Tier des Jahres Team (13.01.2017 in estnischer Sprache) 


Rehwild bewohnte das Estnische Gebiet schon vor  fast 10 000 Jahren: Knochenfunde in alten Siedlungen zeugen davon; daraus ergibt sich, dass die Art ein Ziel der Jagd für die hiesigen Einwohner war. Es stimmt aber, dass vergleichen mit Elch und Biber der Anteil von Rehwild als Beute gering war. Von Zeit zu Zeit, offenbar beeinflusst von Klimaveränderungen, zogen sich die Arten nach Süden zurück. Das geschah im 16.-17 Jahrhundert. Die Rückkehr brauchte Zeit. Das war nicht bis schriftliche Quellen des 18. und frühen 19. Jahrhunderts mit Hupel, Fischer, Hueck und anderen Autoren,  die Rückkehr von Rehwild auf estnischem Gebiet beschrieben wurde. Die Ausweitung ihres Gebietes im frühen 19. Jahrhundert wurde durch die Vielzahl der Wölfe behindert.  Kommunalbehörden begannen die Ausrottung der Wölfe zu fördern, was ihre Anzahl verringerte und die Anzahl ihrer Beutetiere erhöhte. Die nördlichen Grenzwerte des Rehwilds erreichte Tartu wieder Mitte des 19. Jahrhunderts und an der Jahrhundertwende den Finnischen Meerbusen. Die Anzahl der Rehe wuchs bis der strenge Winter 1915/16 diese Entwicklung plötzlich stoppte. Wegen der Wilderei nach dem Krieg blieb die Zahl der Population mehrere Jahre lang niedrig. Allmählich wurde die Anarchie  (sowohl in der Jagd, als auch in anderen Gebieten der Gesellschaft)  überwunden und die Population des Rehwilds begann sich wieder, gegen den Hintergrund einer niedrigen Anzahl von Raubtieren, zu erhöhen. Die milden Winter waren auch günstig. 1939 wurden fast 22 000 Rehe im Staatsforst gezählt, der etwa 80% aller Wälder ausmacht. Auf der Grundlage des heutigen Wissens kann man sicher sagen, dass die tatsächliche Zahl viel höher war, als auch, dass die derzeitige Population kleiner als damals ist. Strenge Winter hielten wiederum die Zunahme der Population an. Der Winter 1939/40 war wahrscheinlich der härteste des Jahrhunderts und die dem folgten waren nicht viel  milder. Zwanzig Jahre später hat sich die Population wieder erholt, stieg wieder an, anfangs langsam, aber dann beschleunigt und erreichte das historisch höchste Niveau Mitter 1970. Wie das genau quantifiziert werden konnte ist außerhalb dieses Textbereiches. Es kann jedoch mit Sicherheit gesagt werden, dass das Ergebnis der offiziellen Zählung – 60 000 Tiere – mit 2 multipliziert werden kann, vielleicht sogar mit 3.  Hintergrund  solcher „demographischen Explosion“ waren die schneelosen Winter in den 1970-igern, die fast eine unbegrenzte Versorgung mit Nahrung, in Form von Wintersaat, die auf den Kolchosen Feldern wuchs, darstellte. Die intensive Waldfällung (und sicherlich auch der Auguststurm von 1967) bereicherte in erster Linie die Nahrungsgrundlage von Elchen, aber sicherlich auch die der Rehe in Waldlebensräumen.  Und natürlich wurde das Geschehen auch von der niedrigsten Anzahl von Raubtieren in den Jahren dieses  Jahrhunderts  begünstigt. In der dichten Population  begannen sich Krankheiten zu verbreiten. Sehr häufig war in diesen Jahren eine Art von Durchfall (“pasatõbi”), der entkräftete und manchmal die Tiere sogar getötet hat. Die ganzen Ursachen können hier nicht erklärt werden aber wenigstens teilweise könnte es durch Helminthen (parasitäre Würmer) ausgelöst worden sein. Veterinär Spezialist Toivo Järvis (jetzt emeritierter Professor) untersuchte das Problem in den 1970-iger Jahren und fand insgesamt 28 Arten von Helminthen bei Estnischen Rehen. Vergleicht man die Anzahl von parasitären Wurmarten und die Zahl der eingegangenen Tiere (jeweils die Ausbreitung und Intensität der  Invasion bezeichnend) fand er im Durchschnitt eine größere Anzahl unter der letzten Gruppe.  Während des Winters 1976/77 der kälter und schneereicher war verglichen mit den vorhergehenden besseren Winter, jedoch im Durchschnitt auf längere Zeit gesehen, ging eine sehr große Anzahl von Rehen ein. Die Population war ab da relativ stabil, sank aber wieder in den Turbulenzen der ersten Hälfte der 1990-iger Jahre (die auch eine Zunahme der Wilderei mit sich brachten) und die große Anzahl von Raubtieren. Die letzte Spitzenzeit der Population war von und 2007-2009 und wurde durch die zwei schneereichen Winter von 2009/10 und 2010/11 beendet.

Die Populationsdichte von Rehen in Mitteleuropa ist am höchsten in Deutschland, Österreich, Dänemark und Süd-Schweden und erreicht mehrere hundert Tiere pro 1000 ha. Im Vergleich dazu ist die Populationsdichte der Rehe in Estland um das Zehnfache niedriger und kann in der Regel mit zehn Tieren pro 1000 ha bezeichnet werden, übertrifft damit nur hundert Tiere in den Perioden maximaler Populationsdichte in den besten Lebensräumen. Warum dieser Unterschied? Erstens weil das Klima in Mitteleuropa besser geeignet für Rehe ist, zweitens weil große Raubtiere fehlen oder nur in viel niedrigerer Anzahl vorhanden sind als in Estland. Sicher verändert sich auch in Mitteleuropa die Populationsdichte ständig, doch das ist nicht vergleichbar.

Tiit Randveer
 

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