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Vierte April-Woche: wilde Froschhochzeiten
Text: Kristel Vilbaste
Fotos: Arne Ader
Singender Zaunkönig
Gleichberechtigung setzt sich auch im Sumpf durch. Bis zur Brust im letztjährigen Gras versucht eine weibliche Kröte, sich ihren Weg in Teichrichtung zu erkämpfen — mit vier Männchen auf dem Buckel.
Die vier Wetterzeichen der Woche:
Gelbes Windröschen,
Frosch-Wettlauf,
Hummelflüge
und die erste Frühlingswärme.
Das Geräusch meiner Schritte erreicht den Kröten-Haufen. Die beiden obersten Kröten-Männchen lassen sich vom Haufen herabfallen, eines mit den Beinen die Kehle des anderen fest und würgend im Griff, und fangen an, sich in meine Richtung zu bewegen. Das Krötenweibchen kann ein wenig erleichtert ein paar Sätze Richtung Teich machen und ich entferne mich. Die Umgebung des Teiches wimmelt von Kröten, die glücklichen ersten haben das Wasser erreicht und lassen schrilles Quaken hören. Der Ruf der Kröten erinnert mich am meisten an da Wort „quaken“. Im Teich auf dem Hügel haben die blauen Moorfrösche ihre dreieckigen Köpfe aus dem Wasser erhoben und erzählen irgendwas mit einer tief kehligen Stimme: „Kroomulks, kroomulks“. Und hinter den Kröten schwimmt bereits eine lange Perlenkette von Laich im Teich. Die faustgroßen Laichkugeln der Moorfrösche, mit ein paar hundert Augen von zukünftigen Nachwuchs darauf, sind noch nicht zu sehen. Aber im oberen Teich gibt es in der Mitte immer noch ein Stück Eis, der Flausch der Rohrkolben-Samen ist noch nicht mit ihm zu Grunde gesunken. Ein Augenblick der Ruhe und wie ein Blitzstrahl kommt eine grünköpfige, graubraune Stockente direkt auf mich zu. Ein heftiges Bremsmanöver im Teichwasser, eine Wasserkaskade auf jeder Seite ihrer Brust ... und dann Angst, als sie schließlich den Menschen über den Teichrand gebeugt bemerkt, ein Anlauf auf dem Wasser und ein zorniges Geschnatter auf der Flucht.
Die Singvögel sind bereits mit dem Nestbau beschäftigt und in den ersten Nestern wird bereits gebrütet. Gelege eines Stars
Überall Nester
Aber ich sehe, wie Aotäht am Holzschuppen einer Amsel auf den Fersen ist, meine kleine Tochter kommt zu mir und sagt mit gewichtiger Miene: „Ich habe sie fast erwischt!“ Ich versuche ihr zu erklären, dass der Vogel nur versuchte, sie vom Nest weg zu locken. Wir waren eine Woche lang nicht in Kütioru und kommen uns schon fast vor wie Fremde, unter jedem Busch und in jeder Höhlung hat jemand ein Nest. Wir versuchen uns vorsichtig mit der Bachstelze anzufreuden, die unter dem Dach begonnen hat, ein Nest zu bauen. Ich erkläre ihr, dass wir ihr einziger Schutz gegen die Marder seien, die unsere Bienen gefressen haben und alle Gläser in der Speisekammer auf den Boden geworfen haben, dass sie in tausend Scherben zersprungen sind. Der Trauerschnäpper singt seine ersten Lieder auf dem Nistkasten im Hof, aber die Stare scheinen ihre Nistkästen nicht beziehen zu wollen, wenn sich dort nicht dauerhaft Menschen aufhalten. Ich schubse das alte Amselnest über der Tür auf den Boden, es ist voller Maden, um für ein neues Raum zu schaffen. Es gibt hier wenig Buchfinkengesang, aber es gibt auch ebensowenig Kiefernwald.
Blaue, gelbe, weiße Blüten
Lungenkraut blüht im Wald, es gibt sowohl rote als auch blasslila Blüten. Aotäht kommt mit einem großen Bund Leberblümchen, mit weißen, roten, blauen Blüten. Am Teichrand unter dem Hopfen haben sich die Blüten der ersten Buschwindröschen geöffnet, Straßenrand und Kieshaufen sind gelb vom Huflattich. Die Weiden sind voller schöner gelber Kätzchen, glückliche Hummeln summen herum. Kaja Kübar, die in Pärnumaa gerade auf dem Weg ist, Eierfarben für die Ostereier der Kinder zu besorgen, ruft an und erzählt, am Straßenrand hätten sich bereits die gelben Windröschen geöffnet. Und dass eine kleine rote Tulpe aus einem fernen Land in ihrem Gartenbeet blüht. Und wir freuen uns, das es dieses Jahr so viel Pflanzenmaterial für das Dekorieren der Eier gibt — Blumen, Grasbüschel, Moospolster, farbige Rindenstreifen...
Das Hochwasser dauert an. Überschwemmung des Emajõe-Flusses bei Jõesuus
Rotaugen-Fischer in einer Reihe
Am Peipussee ist es nicht so warm, obwohl es mit Tartu verglichen nur ein Unterschied von 5 Grad ist. Am Estnischen Ufer gibt es immer noch Eis, Hunderte von Fischern stehen an der Flussmündung und schwenken ihre Angeln herum, in den Eimern hat jeder etwa eineinhalb Kilo plantschender Rotaugen. Die Uferbewohner gehen auch Hecht und Brachsen fangen. Das Wasser ist am Ufer gut einen halben Meter niedriger als im Vorjahr, und in der Uferwiese blüht Huflattich, im vergangenen Jahr reichten sie nicht bis über den Wasserspiegel. Hummeln sind freudig geschäftig rund um unser Haus, es gibt keine Fenster mehr, die sie hindern könnten. Nachbarin Wilma ist froh, dass die Rehe in diesem Jahr nicht an ihre Pflanzen gegangen sind — was aber auch bedeutet, dass die Rehe im tiefen Schnee von Ost-Viru umgekommen sind. Aber in der Nähe von Võru futtert sich eine 10-köpfige Herde stetig durch ein sprießendes Kornfeld.
Schnee und Eis verschwinden in diesem Frühjahr nur langsam. Einige Moorfrösche beginnen mit ihrer Paarung bereits auf dem Eis.
Blumen-Geschichten: Gundelrebe hilft
Auf der Wiese öffnen sich bei einem der ersten Frühlingsblüher regelmäßig zur Zeit des Zahnschmerzes die winzigen lila Blüten der Gundelrebe. Der heilige Petrus soll einst entsetzliche Zahnschmerzen gehabt haben. Da sprach Jesus „nimm Gundelrebe und behalte es im Mund, so dass sie überall hinkommt“. Petrus tat wie Jesus geraten und die Schmerzen endeten sofort. Gewöhnlich nimmt man drei Pflanzen gegen Zahnschmerz, reibt sie auf die schmerzende Stelle und hängt sie dann in den Schornstein.
Zitat:
Wer zur Walpurgisnacht mit einem Kranz von Gundelrebe auf dem Kopf herumläuft, wird Hexen erkennen können, sie sehen dann aus, als ob sie eine Art Holzgefäß auf dem Kopf hätten.
Übersetzung: Liis und Leonia