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Die Glühwürmchen-Geschichte

Text: Piret Pappel
Fotos: Urmas Tartes und Arne Ader
Übersetzung ins Englische: Liis
Vom Englischen ins Deutsche: Leonia
 
Glühwürmchen, Foto: Arne Ader
 
 
Glühwürmchen, Großer Leuchtkäfer
Jaanimardikas
 
 
 
In den Nächten vor der Sommersonnenwende kann man an Wald- und Straßenrändern kleine grünliche Lichtpunkte sehen. Es sind Glühwürmchen, in Estland im Volksmund jaaniussid genannt – Mitsommer- oder St. Johanniswürmchen. Ihr richtiger estnischer Name, jaanimardikas, sagt jedoch, dass die Glühwürmchen keine echten „Würmer“ sind (wie zum Beispiel ein Regenwurm), sondern Käfer. Der volkstümliche Name Glühwürmchen kommt von den flügellosen Weibchen, die uns an kleine Würmer erinnern. Ihr grünliches Leuchten dient dem Anlocken der flugfähigen Männchen.
 
Glühwürmchen-Leuchten, Foto:Urmas Tartes
 
Verwandschaft
Die Familie der Leuchtkäfer (Lampyridae) ist bekannt für ihre Fähigkeit, phosphoreszierendes Leuchten zu erzeugen. Der lateinische Name bedeutet „Fackelträger“.
Es gibt etwa 2000 Arten Leuchtkäfer und ihre Namen beziehen sich immer auf die lumineszierende Eigenschaft der Insekten. Neben der Familie Lampyrus (Fackelträger) finden wir die Familien Lucidota (Lux = Licht), Pyractonema (gleicher Wortstamm wie in pyroman), Photinus (vom Wort Photo) in derselben Gruppe. Die Größe dieser leuchtenden Insekten reicht von vier Millimetern bis zu einigen Zentimetern.
Mit dem Glühwürmchen sind viele Überlieferungen verknüpft. Man sagt, dass der Finder eines solchen leuchtenden kleinen Lebewesens großes Glück haben wird, sein Mörder jedoch werde durch eine Feuer-Katastrophe bestraft werden. Wetter wurde nach den Glühwürmchen vorhergesagt: örtlich wurde geglaubt, die kleinen Wesen kündigten sowohl Regen als auch Sonne an.
 
Die halbstündige Reise eines Glühwürmchens auf einem Grashalm, Foto Arne Ader
 
Höllenfeuer 
Wie funktioniert die „Fackel” des Glühwürmchens?
Das Leuchten wird durch Luciferin bei der Zersetzung dieses Proteins durch das Enzym Luciferase erzeugt. Der Name des Proteins bezieht sich auf ein unirdisches Wesen – den gefallenen Engel Lucifer. Die grünen Leuchtpunkte in den Juninächten könnte man die Lichter des Prinzen der Unterwelt nennen.
Die Zersetzungsreaktion findet in spezialisierten Zellen statt – Photocyten – die unter der Oberhaut am hinteren Ende des Bauches gruppiert sind. Für den Abbau von Luciferin ist Sauerstoff notwendig. Entsprechend hängt die Stärke des Leuchtens vorrangig vom Zufluss des Sauerstoffes durch die Tracheen ab und seiner Konzentration in den Photocyten. Die Käfer sind in der Lage, die Stärke des Leuchtens zu beeinflussen. Wie sie das genau machen, ist bislang nicht bekannt. Außer ihrer Fähigkeit, die Sauerstoffkonzentration zu kontrollieren, können die Glühwürmchen das Leuchten auch über das Nervensystem regulieren.
 
Leuchtkörper
Das Licht des Glühwürmchens ist kalt, es gibt nicht viel Wärme ab. Die Zersetzung des Luciferins hat einen außergewöhnlichen Wirkungsgrad: soviel wie 98 % der eingesetzten Energie werden zur Erzeugung des Lichts verwendet und nur 2 % in die von Wärme. Zum Vergleich: in einer gewöhnlichen Glühlampe ist das Verhältnis nahezu umgekehrt. Das Licht der Glühwürmchen enthält keine Infrarot- oder UV-Anteile des Spektrums, die Wellenlänge des Lichtes liegt hauptsächlich zwischen 480 und 720 nm (Nanometer). Einige tropische Arten glühen so stark, dass es möglich ist, in der Dunkelheit mit dem Licht eines Glases mit einigen dieser Insekten ein Buch zu lesen. Amerikanische Schulbücher berichten die Geschichte des Militärarztes William Gorgas, der das Licht von Glühwürmchens auf den Feldern Kubas bei chirurgischen Eingriffen nutzte.
Bei vielen tropischen Glühwürmchen-Arten leuchten sowohl die Weibchen wie auch die Männchen. Möglicherweise nutzen die Glühwürmchen den Schimmer um Feinde abzuwehren. Aber Frösche sind zum Beispiel durch das Leuchten nicht abzuschrecken. Sie vernaschen gern Glühwürmchen, auch wenn zu viel dieses leuchtenden Futters sogar den Esser zum Leuchten bringen kann.
 
Nachwuchs
Das Licht der Glühwürmchen leuchtet zwischen Sonnenuntergang und Mitternacht am hellsten. Die Käfer verbringen den Tag in den Bäumen oder in niederen Pflanzen. Viele Arten bevorzugen feuchten Lebensraum. Den größten Teil ihres 3-jährigen Daseins verbringen die Glühwürmchen als Larven, die sich von Raupen ernähren. Das kurze Erwachsenendasein, das nur wenige Wochen dauert, zwingt viele geschlechtsreife Käfer zu völligem Fasten. Falls Nahrung aufgenommen wird, werden Pollen und Nektar bevorzugt. Die weiblichen Glühwürmchen legen ihre Eier in den Boden und sterben danach innerhalb weniger Tage. Ein Weibchen legt etwa 50 Eier. Die Larven schlüpfen nach etwa vier Wochen. Der Sommer wird mit Fressen und Wachsen verbracht. Im Herbst bohren sich die Glühwürmchen-Larven in die Erde, um dort den Winter zu überdauern. 
  • Klass: Insekten Insecta
  • Ordnung: Käfer Coleoptera
  • Familie: Leuchtkäfer Lampyridae
  • Großer Leuchtkäfer Lampyris noctiluca
  • Länge: Männchen ~ 1 cm, Weibchen ~1,5 bis zu 2 cm, Larven bis zu 2,5 cm
  • Lebensdauer: bis zu 3 Jahre
  • Eier: etwa 50
  • Die Leuchtfähigkeit ist bereits in den Larven und sogar in den Eiern angelegt.
  • Lieblingsnahrung der Larven sind Schnecken, die mit Giftzähnen getötet werden.
  • Ein weiteres Glühwürmchen, der Kurzflügel-Leuchtkäfer (Phosphaenus hemipterus), wurde in Estland gefunden; sie leuchten auch, aber ihr Leuchten ist deutlich schwächer als das des großen Leuchtkäfers.