Text Kristel Vilbaste
Fotos Arne Ader
Übersetzung ins Englische: Liis
Vom Englischen ins Deutsche: Leonia

Kiebitze
Eine unglaubliche Welle an Wärme zog nach Estland. Innerhalb einer Woche drückten im ganzen Land Schneeglöckchen grüne Nasen aus dem Boden, die Sonne malte die Nasen mit einem Hauch weiß an, und die Schneeglöckchen läuteten überall den Frühling ein. Sogar die grünen Krähenfüße des Giersch sind bereits eineinhalb Zentimeter lang.
Es gibt jetzt nur noch in den hügeligeren Teilen Estlands Schnee. Anderswo ist er weg wie von Zauberhand und die Regenduschen tauen sogar bereits die Eisfelder auf.
Obwohl von verschiedenen Orten Berichte über die Ankunft von Feldlerchen kommen, hier bei Raadi, wo wir in der Regel ein Paradies für Feldlerchen und Kiebitze haben – gibt es keine, weder fliegend noch singend.
Das Geglucker der Birkhahn-Balz hält in den Sümpfen nicht einmal für einen Moment still. Eulen rufen, miteinander wetteifernd, und die Spechttrommel hämmert laut. Die ersten gelbschnäbeligen Singschwäne rufen fröhlich, als ob sie erzählten, bald werden wir zu unseren Tundraheimen ziehen. Und Looduskalender-Schöpfer Gennadi Skromnov erzählt, dass in der Adler-Kamera das Geschnatter von vorbeifliegenden Gänsen zu hören ist.
Ich möchte diesmal gerade über Looduskalender schreiben. Wissen eigentlich alle von Euch, was Looduskalender ist? Natürlich wisst Ihr, es ist der Stolz und die Freude der Esten. Und wie unser Adlermann Urmas Sellis meint, seien das coolste von allem die Adler-Kameras von Looduskalender.

Adlermann Urmas Sellis beringt ein Seeadlerküken
Im Sommer wird das Familienleben der Fischadler bisweilen von etwa 50.000 Leuten gleichzeitig beobachtet. Und die überraschende Tatsache – estnische Kamera-Beobachter sind nur auf dem sechsten Platz, nach den Zuschauern aus Taiwan.
Ja, am 28. Februar ist Looduskalender 10 Jahre alt. Aber dieses Mal werde ich eine recht alte Geschichte erzählen, eine von vor 30 Jahren.
Zu jener Zeit war ich Studentin an der Universität Tartu, und unsere Freundesgruppe eilte in die freie Natur, sobald wir einen freien Augenblick hatten – zum Laeva-Moor. Einer unserer Gruppe – Einar Tammur – arbeitete am estnischen Waldforschungsinstitut (Metsainstituut) und er musste das Wohlbefinden der Raritäten gewährleisten, der Seeadler. Zu diesem Zweck begann er Adlernester wiederherzustellen und wir zogen gemeinsam hinaus, sie zu errichten und nach ihnen zu schauen.
Aber im Jahr 1985, ich kann mich im Jahr irren, wurde auch beschlossen, mit der Fütterung der Adler im Winter zu beginnen. Dazu wurde ein Schweinekadaver zu einem Ort gebracht, wo sich Adler aufhielten oder es wurde Fisch von den Fischern ausgelegt. Aber eines dunklen Wintermonats hatte Einar den Einfall, eine Plattform zur Fütterung der Adler zu bauen. Direkt am Rande des Emajõgi, bei Palupõhja, im Gipfel einer großen Weide. Im Herzen des heutigen Alam-Pedja-Naturschutzgebietes. Wir waren zu sechst, und ich kann mich nicht an eine schlimmere Schwerstarbeit den ganzen Tag über erinnern; die Jungs sägten die Spitze aus der Weide und zerkleinerten sie, wir, die Mädchen, zu dritt, brachten die Äste fort, damit die Adler nicht vermuteten, dass hier Menschen tätig gewesen seien. Aber wir errichteten eine herrliche Planken-Plattform für das Futter für die Adler – einfach ein größeres Modell als jenes für Meisen, jedoch ohne Dach. Aber statt Sonnenblumenkernen trug dieses riesige Barsche vom örtlichen Fischer als Vogelfutter, schön gestreift und wirklich große – ich habe noch nie derartige irgendwo in Estland gesehen. Natürlich posierten wir auch auf der Plattform, vorgebend, wie seien Adler und würden diese Barsche verschlingen. Und scherzten darüber, wenn nun ein Adler käme und uns ergriffe …
Die Futterplattform für Adler befindet sich genau so in meinem Gedächtnis. Weder dort noch auf Fotos habe ich jemals Adler dort Nahrung aufnehmen sehen. All das begann etwa 10 Jahre später, als die Adler-Männer begannen, Verstecke an den Rändern der Futterplätze zu bauen. Auch ich musste in früher Nacht zur Beobachtungshütte losmarschieren und den majestätischen Vogel mit angehaltenem Atem beobachten. Frierend … und gleichzeitig sehr stolz, eine von vielleicht zwanzig Leuten in Estland zu sein, die zu jener Zeit solch einen Anblick gesehen hatten.

Morgendliches Aufreihen: 9 Seeadler in einer Kiefernkrone
Zu jener Zeit konnten wir nicht einmal davon träumen, dass dies einst eine alltägliche Lieblingsbeschäftigung von Tausenden von Menschen werden würde. Am Morgen am Rechner nachzuschauen, wie viele Adler an diesem Tag zum Futterplatz gekommen waren, und wenn der Administrator auf die gelben Beine der Adler zoomt, um die farbigen Ringe abzulesen und herauszufinden, wo die Adler herkommen. Oder zu sehen, wie eine tapfere kleine Krähe einen riesigen Seeadler am Schwanz zieht, den Adler-Opa von den leckersten Bissen wegzulocken. Oder wie ein schlitzohriger Fuchs gesprungen kommt und sich den schmackhaftesten Fisch aus dem Haufen schnappt, gerade unter dem Schnabel des Adlers: leicht erschrocken, mit vor Hunger flackernden Augen.
Ja, das ist jetzt alles vor unseren Augen, jeden Tag und so natürlich, als wenn wir einen Tierfilm im Fernsehen schauen. Wir betrachten es als ein alltägliches Stück estnischen Lebens. Und nicht einmal ich, die ich an Looduskalenders Seite während all dieser 10 Jahre stand, kenne alle, die das in Gang halten. Einer aus unserer damaligen Gruppe, Urmas Sellis, ist gewiss der Ansprechpartner für Adler, und mein Studienkollege Urmas Lett von Eenet ist der Übersetzer der Seeadlersprache in die Elektronik. Aber mit Sicherheit war der Motor von all dem in all den Jahren Gennadi Skromnov, Looduskalenders Schöpfer und Organisator, von der Notwendigkeit des Looduskalenders erzählend mit leuchtenden Augen. Das Team jedoch ist sehr groß.
Ich selbst bin froh, dass Gennadi mich vor 9 Jahren zu Lea Larin schleppte, Biologin und Chefredakteurin von Eesti Päevaleht, und dass Lea Looduskalender zu unserer größten Zeitung eingeladen hat. Sieben Jahre lang schrieb ich für Päevaleht jede Woche Looduskalender-Geschichten mit Arne Aders Fotos.
Diese Zeitspanne brachte mir neue Freunde unter wunderbaren Naturliebhabern in ganz Estland, und bot jede Woche Gelegenheit, Leute anzurufen. Während der letzten Jahre habe ich auf dem gleichen Weg mit dem KUKU Ilmavärav (Wetter-Portal) zweimal im Monat Geschichten fortgesetzt, die nachdem sie über den Äther gegangen sind, im Looduskalender veröffentlicht werden.
Aber der ganze Looduskalender ist voller spannender Entdeckungen:
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Nehmt Euch etwas Zeit und seht, was der 10 Jahre alte Looduskalender.ee bietet!